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a.
Frag nicht, was das Wetter mit dem Krieg, Ein Buch über den Einfluss des Seekrieges auf das Klima hat keine Wahl: Es muss über „Barbarossa“, den Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 schreiben, um den Kriegszug mit dem Wetter in Verbindung zu bringen. Es ist ein Krieg zu Lande. Als er begann, hatten die beiden Kriegsparteien rund 15.000 Flugzeuge in ihrem Arsenal, sodass es auch ein Luftkrieg war. Weitere Zahlen über Kriegsmaterial sind in der Übersicht von Abb. E1-2 gelistet und weisen aberwitzige Proportionen aus. Die maritime Komponente findet selten Beachtung. Meistens wird sie nicht einmal erwähnt. „Barbarossa“ fand Beachtung bei Philosophen, Historikern,
Eposschreibern und Armsesselstrategen. Die Zahl der Artikel, Bücher und
Analysen ist zahlreich. Alles nur Denkbare wird angesprochen: Taktik,
Kleider, Moral, Schnee, Verluste und so weiter. Ein zentrales, immer
wiederkehrendes Thema ist die Rolle des Wetters bezüglich Sieg und
Niederlage. Einig ist man sich, dass das Wetter die Einnahme von Moskau
vor Winteranfang verhinderte. Niemand stellt die
Frage, ob „Barbarossa“ für das Wetter mitverantwortlich war.
War es ein anthropogener Vorgang, oder hatte der Mensch nur richtig
zu reagieren? NN[1]
beschreibt das letztere so: Das hört sich intelligent an, erklärt aber wenig[2] und übersieht, dass auch der Seekrieg eine dynamische Kraft ist, und das Meer und seine Seegebiete, darunter z.B. die Ostsee, ein Schlüssel zum Wetterverlauf sind. Diese Ignoranz war den Wetterexperten schon in den vorausgegangenen Kriegsjahren zu eigen (Kapitel A2). Auch die seitdem verfassten Aufsätze verfehlen die Frage, ob das Wetter nur deshalb extrem wurde, weil tausende von Schiffen und militärischen Operationen von Spitzbergen bis nach Sizilien alle Küstenmeere durchwühlten. Ein Überblick über die militärische Situation im Herbst 1941 ist daher geboten. b. "Barbarossa" zu Land und in der Luft Der Start des Unternehmens erstreckte sich über eine 2.000 km Frontlinie und reichte von Finnland bis zum Schwarzen Meer. Der Plan sah vor, schnell, in "Blitzkriegsmanier", vorzustoßen und die Sowjetunion und die Rote Armee in ein paar Wochen auszuschalten. Die Einnahme von Moskau war eine Grundvoraussetzung dafür. Die erste Phase war zeitweilig sehr staubig, aber problemlos. Doch schon früh im Oktober fiel der erste Schnee, der schmolz und mit weiterem Regen das Land in ein einziges Morastfeld verwandelte. Als danach im November der Boden fror, hoffte das Militär, dass dies die Beweglichkeit wieder herstellen würde. Hitler forderte die Einnahme von Moskau. Bis auf 20 km kamen seine Armeen in den ersten Dezembertagen an Moskau heran. Der Dezember war kaum eine Woche alt, da wurde die Eroberung von Moskau auf den nächsten Frühling verschoben. Zu sehr hatte General Frost die Sache in die Hand genommen und harte Winterbedingungen geschaffen, denen die Soldaten der Wehrmacht und ihre Ausrüstung nicht gewachsen waren. In den sechs Monaten bis zum Jahresende 1941 waren 174.000 Wehrmachtssoldaten gefallen, rund 600.000 verwundet und 36.000 vermisst. Der Materialverlust betrug 758 Bomber, 568 Kampfflugzeuge und 767 weitere Flugzeugtypen (Piekalkiewicz, 1997). Auch die Verluste an anderem Material wie Geschützen, Panzern und Fahrzeugen waren enorm, wobei die Verluste der Russen erheblich größer waren, an Soldaten vermutlich 3.000.000 Mann. c. "Barbarossas" Ostseekomponente aa. Hinweis Der Leser, der sich für Details des Seekrieges in der Ostsee vom Juni bis zum Winter 1941/42 interessiert, sollte sich diese Thematik über entsprechende Fachliteratur erschließen, wie z.B. Rohwer und Koburger (siehe Literaturliste). Die nachfolgende Untersuchung will nur die Aktivitäten herausstreichen, die wie ein "Schütteln und Rühren" auf die europäischen Meeresgewässer gewirkt haben wie nie zuvor. Daher sind alle Zahlenangaben nur Circa-Werte. bb. Die in der Ostsee aktiven Marinen Die deutsche Kriegsmarine mobilisierte ungefähr hundert Kriegsschiffe, darunter 10 große Minenleger, 28 Torpedoboote und 2-3 Dutzend Minensucher. Für Luftunterstützung war die Luftwaffe zuständig. Die Deutschen schickten von August bis September ein Flottenkommando in die Ostsee, um einen Ausbruch der Baltischen Flotte zu verhindern. Das Kommando bestand aus dem neuen Schlachtschiff Tirpitz und wurde von dem Schlachtschiff Admiral Speer, vier Kreuzern und mehreren Zerstörern begleitet. Bis vor die Åland Inseln stieß die Gruppe vor. Die Baltische Flotte der Sowjetunion konnte sechs große Kriegsschiffe, 21 Zerstörer, 65 Unterseeboote, 6 Minenleger, 48 Torpedokutter und 700 Flugzeuge zum Einsatz bringen. Die Kriegsmarinen von Schweden und Finnland waren ebenfalls aktiv, wenn auch auf niedrigem Niveau. Die Finnen, die mit den Deutschen kooperierten, arbeiteten mit einer Anzahl kleinerer Kriegsschiffe und waren am Minenlegen und -beseitigen beteiligt. Zusammen mit den Deutschen legten sie in den ersten zwei "Barbarossa" Monaten 5.000 Seeminen und rund 3.500 Minenräumhindernisse (Koburger, 1994). Die Kriegsmarine konnte Helsinki anlaufen. Weit besser illustriert ein Auszug aus dem finnischen Kriegslagebericht vom 7. Dezember (NYT, 08. Dez. 1941) die Lage: · See: Unsere Küstenbatterien zwischen Seivasto und Ino hatten einen Schlagabtausch mit der feindlichen Flotte, die nach Kronstadt fuhr. Beteiligt war ein feindliches Geschütz in Yhinmaki. Ein feindlicher Zerstörer wurde getroffen. Wegen Schneesturms wurde das Gefecht abgebrochen. · Karelische Halbinsel: Der Feind war aktiv. Unsere Artillerie und Granatwerfer erzielten Volltreffer. · Front am Swir Fluss: Unsere Artillerie erzielte Treffer auf Artilleriestationen und Schützengräben. · Ostfront: Ein feindlicher Angriff im Norden wurde zurückgeschlagen. Im Süden wurde von unseren Truppen die Stadt Karhumaeki (Anm.: ca. 450 km NNO von St. Petersburg) nach heftigen Kämpfen erobert. · Luft: Unsere eigenen Luftkräfte bombardierten militärische Ziele. Die schwedische Marine war nicht nur in Überwachungsmissionen unterwegs, sondern legte oder beseitigte Seeminen. Auf einer Minensperre, die auf Wunsch der Deutschen gelegt worden war, sanken am 9. Juli 1941 drei deutsche Minenleger auf dem Rückweg vom Golf von Finnland, wo sie Minen ausgelegt hatten (Rohwer). cc. Seeminen in der Ostsee Seeminen spielten in der Durchführung von „Barbarossa“ eine wichtige Rolle. Vermutlich rund 20.000 Seeminen, wenn nicht sehr viel mehr, wurden ausgelegt. Zu Hunderten wurden sie von Minensuchbooten täglich aufgespürt und vernichtet, indem man sie zur Explosion brachte. Im Gegenzug legte die Baltische Flotte Seeminen aus, die häufig nicht mehr als 100 kg wogen, aber dafür an Anzahl reichlich vorhanden waren. Allein im Golf von Finnland sollen mindestens 10.000 ausgelegt worden sein. Im frühen August 1941 platzierte ein Dutzend russischer Kriegsschiffe Seeminen vor der dänischen Insel Bornholm und in weiteren Minenoperationen vom 20. Oktober bis 15. November in der Danziger Bucht. Die deutsche Kriegsmarine legte und räumte viele Minenfelder von Königsberg bis nach Bornholm, zum einen um ihre Transportwege sowie ihre Trainings- und Übungsgebiete zu schützen, zum anderen, um die Baltische Flotte zu behindern. Anmerkung: In den letzten Jahren tauchen immer wieder Berichte über die heutige Seeminensituation in der Ostsee auf. Danach sollen noch rund 80.000 in der Ostsee liegen, die explodieren können. dd. Die dramatische Evakuierung von Tallinn Nach 10 Wochen "Barbarossa" war eine baldige Eroberung von Tallinn durch deutsche Truppen nahe. Die Rote Armee und die Baltische Flotte mussten die Stadt bald evakuieren. Darauf verstärkten deutsche und finnische Einheiten das Seeminenfeld vor Tallinn und versetzten Torpedoboote in Alarmbereitschaft. Die Russen mussten mit 160 Schiffen, 60.000 Tonnen Material und rund 30.000 Personen abziehen. Als die Evakuierung am 28.August begann, erfolgten ständig Bomber- und Artillerieattacken. Die Armada musste ein schwer vermintes Seegebiet durchfahren. Die Verluste waren hoch, 65 Schiffe versanken und weitere Schiffe wurden schwer beschädigt. ee. Die Russen müssen auch Hanko evakuieren Am Ende des Winterkrieges im März 1940 stationierte die Sowjetunion Truppen in Hanko am Ausgang des Golfs von Finnland, rund 100 km westlich von Helsinki. Nachdem die Wehrmacht Russland angegriffen hatte, isolierten die Finnen den russischen Außenposten mit rund 30.000 Soldaten, 35 Küsten- und Flugabwehrgeschützen, 20 Flugzeugen, 20 Booten für unterschiedliche Zwecke. Mit dem Vormarsch der Wehrmacht auf Leningrad wurde am 31. Oktober mit der Evakuierung in mehreren Konvois begonnen. Anfang Dezember unternahm die Baltische Flotte große Anstrengungen, die Evakuierung zum Abschluss zu bringen. Dabei kam es zu schweren Verlusten durch finnischen Beschuss und in den Seeminenfeldern, darunter 3 Zerstörer, mehrere Transporter und eine Anzahl kleinerer Schiffe. Eines der letzten Schiffe vor Ort war die 7.500 Tonnen große „Josif Stalin“, beladen mit Munition und 6.000 Soldaten. Während sie driftete, wurde sie von vier Minen getroffen. Es gab eine gewaltige Explosion. Von den Truppen an Bord überlebten nur 1/3. d. Weitere Seekriegsaktivitäten in der Ostsee Die Chronologie von Rohwer[3] hat rund 85 Ereignisse registriert. Nur einige wenige sollen erwähnt werden: Die 65 russischen U-Boote waren nur bedingt einsatzfähig, eine permanente Gefahr waren sie dennoch. Auch die wenigen, die auf Feindfahrt ausliefen, wurden gesucht und, wenn erkannt, mit Wasserbomben bekämpft. So griff am 13. Oktober SC-323 den Kreuzer Köln vergeblich an. Es versenkte kurze Zeit darauf das 3.725 Tonnen große Frachtschiff „Baltenland“. Bis zu 200 Einsätze sollen die Russen durchgeführt haben. Bis zum Jahresende verlor die Baltische Flotte 27 U-Boote. Eine große Wirkung, die Ostsee bis in größere Tiefen zu penetrieren, muss von den zahlreichen Küstenbatterien ausgegangen sein. Mit großen Kalibern konnten sie weit hinaus auf die See schießen. Laut Kronberger bedurfte es der Anstrengungen ganzer Flotten von Kreuzern und Bombern, um viele Küstenbatterien zum Schweigen zu bringen. Fortlaufend kamen auch Bomber und Kampfflugzeuge zum Einsatz. Von den vielen Einsätzen der Luftwaffe ist wenig bekannt. Nur markante Treffer wurden registriert, wie zum Beispiel der Abwurf einer 1.000 kg Bombe auf das Schlachtschiff Marat im Hafen von Kronstadt. Insgesamt 600 Angriffe soll die Luftwaffe auf die russische Flotte in Kronstadt geflogen haben, um sie entweder vor Ort zu zerstören oder aus dem Hafen zu treiben, damit sie angegriffen werden konnte. Schließlich waren hohe militärische Aufwendungen erforderlich, um den Erztransport von Nordschweden und Finnland zu sichern. e. Ostseeverluste unter "Barbarossa" Das sechsmonatige Drama in der östlichen Ostsee lässt sich nur bedingt an Hand von Verlusten messen, da über kleinere Boote oder Flugzeuge wenig bekannt ist. Was größere Schiffe betrifft, soll die Baltische Flotte ungefähr 120 Kriegs- und 90 nicht-militärische Schiffe verloren haben. Die Reichsmarine verlor rund 50 Marinefahrzeuge und 15 Transportschiffe, einige auf deutschen Seeminen. Die drei baltischen Länder sollen rund 100 Schiffe, viele davon fuhren unter russischer Flagge, verloren haben. Der Verlust der Schweden und Finnen betrug rund 15 Kriegsschiffe. PS: „THE NEW YORK TIMES“, Auszug 11. Januar 1942 (nachstehend, Abb. E2-1) Für ein vertiefendes Studium des 2. Weltkrieges während der ersten zwei bis drei Jahre liefert „The New York Times“ unschätzbare Informationen, Berichte und Analysen. Das gilt auch noch für das „Unternehmen Barbarossa“, soweit es den Land- und Luftkrieg betrifft. Hier die Wiedergabe einer Karte, die die Rückschläge der Deutschen Wehrmacht zwischen dem 29. Dezember 1941 und 11. Januar verdeutlicht (schwarz), mit einer Erläuterung der Frontsituation in dem zugefügten Text. In der rechten Kolumne werden die Produktionsziele der USA aufgelistet: Flugzeuge 1942 (65'000), 1943 (125'000); Panzer 1942 (45.000), 1943 (75.000); Flak-Geschütze 1942 (20.000), 1943 (35.000), neue Schiffstonnage 1942 (8.000.000 t) und 1943 (10.000.000 t), was vermutlich 1.500 bis 2.000 Schiffen entsprach. [1] NN, (year?): “Effects of climate on combat in European Russia”; excerpt from Part 6, Conclusion, at: http://www.allworldwars.com/Effects-of-Climate-on-Combat-in-European-Russia.html#I [2] Die im Satz enhaltene Aussage ist Unsinn. Klima ist Statistik. Eine Statistik ist keine "dynamische Kraft", wie oben ausgeführt; siehe Kapitel A, Abschnitt A3d. |
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