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C6. Attacke auf das Wetter: Der „Winterkrieg“ Russland ./. Finnland

  1. Als die Russen gen Westen marschierten

Der sogenannte „Winterkrieg“ zwischen der Sowjetunion und Finnland vom 30. November 1939 bis zum 13. März 1940 ist von Sami H. E. Korhonen, Wikipedia und anderen[1] gut dokumentiert worden. Die betroffene Region unter dem Polarkreis von der Barentssee mit dem damals finnischen Hafen Petsamo bis zum Golf von Finnland wurde von einem extrem kalten Winter mit Temperaturen, die bis -43°C fielen, heimgesucht. Das Wettergeschehen ist bei S. Korhonen vorbildlich dargestellt. Vergleichbare Ausarbeitungen gibt es weder für Deutschland noch andere vom Krieg betroffene Staaten in Europa. Keiner der europäischen Wetterdienste hat sich dieser Aufgabe 

Abb. C6-1

angenommen. Zwar findet man in der Literatur Erörterungen, wie sich das Wetter auf den Krieg ausgewirkt hat, doch kein Wort darüber, ob der Krieg den fürchterlichen Winter mit herbei gebombt hat. Obwohl sich sehr deutlich feststellen lässt, dass die Bedingungen für einen kalten Winter in Europa schon weit vor dem 30 November gelegt worden waren. Die Freisetzung riesiger militärischer Kräfte unter einem Himmel, der über den Winter hinweg keine Sonne sah, hat in der einen oder anderen Weise nachhaltig auf die Atmosphäre eingewirkt. Der Russisch – Finnische Krieg war eine anthropogene Attacke auf das Wetter. Aber die Wissenschaft hat bisher kein Interesse gezeigt, dies zu untersuchen. Dies kann auch hier nicht nachgeholt werden. Aber nachdem 70 Jahre vergangen sind, scheint es an der Zeit, dies nachdrücklich einzufordern. Diesem Zweck dient der folgende Überblick über die Temperaturen mit der militärischen Lage an Land und in der Luft, während die den Seekrieg betreffenden Aspekte in dem nachfolgenden Kapitel C7 (am Ende) über die Seeeislage angesprochen werden. Viele dieser Informationen sind dem in der Fußnote bezeichneten Material entnommen und werden nicht erneut gekennzeichnet. 

  1. Ein Überblick. Zusammengestellt aus der NYT

Die Berichterstattung der New York Times während der ersten Kriegsmonate ist ziemlich das Beste, was Zeitungsjournalismus je zustande gebracht hat. Selbst für Klimaforscher sind die Berichte und Informationen eine unerschöpfliche Fundgrube. Hier zunächst eine kurze Chronologie[2], zusammengestellt aus vielen Hunderten Quellen der NYT:

- 30. November 1939: Die finnische Truppenstärke betrug entlang der insgesamt 750 Meilen langen Nord-Süd-Front 250.000 Soldaten, die um weitere 100.000 Freiwillige ergänzt werden (NYT, 04. Dezember 1939). An der südlichen Karelien Front sollen rund 40.000 finnische Soldaten der Roten Armee mit 70 – 80.000 Soldaten gegenüber stehen (NYT, wie vor).


Abb. C6-2

- 02. Dezember 1939: In Helsinki fing es an zu schneien. Als die Einsatzkräfte Feuer löschten und die Straßen von den Trümmern des letzten Bombenangriffs räumten, tauchten die russischen Bomber wieder mit einem Regen des Todes (with a rain of death; NYT, „The Week in Review“, 3. Dezember 1939) auf.

- 17. Dezember 1939: Die Kämpfe der letzten Wochen fanden in Gegenden statt, wo das Thermometer nicht tiefer als -20 Grad C fiel (4 degrees below zero Fahrenheit), während in Karelien die Temperaturen zwischen – 15° C und -20°C schwankten (NYT, „The Week in Review“, 17. Dezember 1939).
- 21. Dezember 1939: Es wird berichtet, dass die Finnen am Nachmittag in heftigen Schneestürmen und bei Temperaturen unter – 18 Grad C kämpfen müssen (NYT, 22. Dezember 1939). 
- 30. Dezember 1939:
Eine Analyse des ersten Kriegsmonats im Winterkrieg ergibt, dass die Russen jetzt an sieben Fronten mit 700.000 Mann angreifen. Die russischen Verluste betragen 35.000 Tote, 100.000 Verwundete sowie 332 Panzer (NYT, 31. Dezember 1939).
- 8. Januar 1940: Ein sehr strenger Frost erfasst heute Nord– und Zentral Russland mit - 35 Grad C, was ein normales Leben behindert (NYT, 9. Januar 1940).
- 18. Januar 1940:
Russland setzt 2.000 große Geschütze ein (NYT, 18. Januar 1940), die jede Minute 100 Geschosse abfeuern (NYT, 1. Februar 1940). Eine erbarmungslose Kälte legte über Nacht eine eisige Schicht über die russische Militärmaschine mit phänomenalen – 48 Grad C („with phenomenal 54 degrees below-zero Temperatures Fahrenheit“; NYT, 18. Januar 1939).
- 21. Januar 1940:
Die kalte polare Luft verharrt über großen Gebieten Europas und Nord Amerikas. Ergebnis: Das kälteste Wetter seit einem halben Jahrhundert. In Moskau fielen die Temperaturen am 17. Januar unter -45 Grad C und in einigen Teilen Finnlands auf –50 Grad C. Solche Werte lassen sich nur noch auf Alkoholthermometern messen, denn Quecksilber friert bei ca. - 39 Grad ein (NYT, 21. Januar 1940;  „The Week in Review”, Headline: War in the Cold).
- 27. Januar 1940:
Helsinki. (…dem) kältesten Winter seit sechzig Jahren (NYT, 27. Januar 1940).

  1. Die militärische Komponente

Der Winterkrieg in Zahlen ausgedrückt ergibt den Einsatz von 1 Million Soldaten (Vermisste und Tote 150.000, Verwundete 250.000), mit rund 4 – 5.000 Panzern, 4.000 Flugzeugen sowie mehreren tausend Geschützen aller Art. Das weitaus meiste Material und die weitaus größten Verluste gingen auf das Konto der Russen. Die Rote Armee war der finnischen mit 3:1 in der Mannschaftsstärke, 80:1 bei den Panzern, 5:1 in der Artillerie und 5,5:1 bei den Flugzeugen überlegen. In der Barentssee setzte die Sowjetunion ihre Nordmeerflotte mit rund 50 Kriegsschiffen und in der Ostsee rund 180 Schiffe einschließlich zweier Schlachtschiffe, 28 Minenräum- und 62 Torpedobooten ein. Statt großer Kriegsschiffe verfügte die finnische Marine über zwei gepanzerte Küstenschiffe, 190 Hilfsfahrzeuge und rund 350 Motorboote.  

Die Sowjetarmee marschierte in Finnland in der Erwartung ein, dass ein Sieg noch vor Jahresende selbstverständlich sei. Das ging gründlich schief. Die ungewöhnlich schlechten Wetterbedingungen trugen dazu kräftig bei. Mit vier Armeen und 20 Divisionen wurde der Angriff gestartet. Das zentrale Schlachtfeld war entlang der sogenannten „Mannheimer Linie“. Die Karelische Landenge wurde von 130.000 Finnen verteidigt und von 250.000 Rotarmisten attackiert. Das sind Ereignisse, die daraufhin untersucht werden sollten, ob und wie sie auf die Atmosphäre gewirkt haben könnten: 

-          Bombenabwürfe über Helsinki; im Nebel und Regen des nördlichen Winters verließen die Zivilisten hastig die Stadt (NYT, „The Week in Review“, 3. Dezember 1939).

-          An der Ostgrenze von Finnland wurden heute im knietiefen Schnee heftige Gefechte ausgetragen. In der nördlichen Sektion sollen die Temperaturen nur noch – 20 Grad C betragen (NYT, 11. Dezember 1939).

-          Der Vormarsch der Russen wurde im Norden Finnlands bei – 31 Grad C und schweren Schneestürmen aufgehalten (NYT, 21. Dezember 1939).

Im Januar 1940 verschärfte die Sowjetunion ihre Kriegsanstrengungen. Die NYT berichtete u. a., dass in den Wäldern nördlich des Ladogasees 40.000 erfrorene Russen unter der Schneedecke liegen (NYT, 16. Februar 1940). Von der Darstellung bei Wikipedia zwei Informationen:

-          Eine unbekannte Anzahl von russischen Soldaten soll im Januar erfroren sein. Die Zahl der Soldaten mit Erfrierungen soll bei den Russen 10.000 und bei den Finnen 5.000 betragen haben.

-          Die Divisionen, Panzerbrigaden, Artilleriegeschütze und Truppenstärken wurden massiv aufgestockt. Am 1. Februar 1940 startete die Rote Armee eine große Offensive, die bereits in den ersten 24 Stunden 300.000 Geschosse in die finnische Verteidigungslinie feuerte.

Abbildungen: C6-3 und C6-4. Die Temperaturabweichung zwischen Helsinki und dem rund 800 km nördlicherenSodankyia zeigt, dass die Kälte am Golf von Finnland in den Kriegswintern 1939/40, 1940/41 und 1941/42 ungewöhnlicher ausfiel, als weiter im Norden. Das ergab sich aus der Belastung der Ostsee durch den Seekrieg. 

 

  1. Eiin Wetterüberblick

Auch wenn der Winter in Finnland sehr kalt war und die täglichen Zeitungsberichte die Wetterlage häufig überdramatisiert haben: Die drei Wintermonate Dezember, Januar und Februar waren die kältesten seit den 1890er Jahren. Die südlichen Regionen waren erheblich kälter. Nach Timo Niroma[3] soll der Februar 1940 in Helsinki mit – 13,7 Grad C der kälteste seit 1829 gewesen sein. Der Unterschied zwischen Nord- und Südfinnland im Februar 1940 ist in der Temperaturkarte (TK 4, Kapitel: C1) deutlich zu erkennen.

Gleichwohl sind einer Diskussion über das Winterwetter in einem so begrenzten räumlichen Bereich wie Finnland enge Grenzen gesetzt. Wenn z. B. die Rote Armee innerhalb von 24 Stunden 300.000 Artilleriegeschosse abfeuert, wird das vor Ort mit einem wolkenlosen Himmel gar nichts bewirken, könnte aber zu Schnee und Regen in 1.000 oder 5.000 km Entfernung beigetragen haben. Gleichwohl sollen von der sehr ausführlichen Darstellung der Winterwetterlage bei Sami H. E. Korhonen ein paar Hinweise übernommen werden:

-          Häufig wird das Wetter nur beiläufig mit Darstellungen wie: „…mehrere Meter Schnee und – 40 Grad C“ beschrieben.

-          Während der letzte Teil wahr ist, da die Temperaturen tatsächlich in einigen Fällen vorgekommen sind und sogar unter – 40 Grad C lagen, ist die Sache mit dem Schnee stark übertrieben. Weil die Temperaturen im Winter 1939/1940 unter dem langjährigen Mittel lagen, war der Niederschlag geringer als die durchschnittliche Menge.

-          Bis zur 4. Woche (18.- bis 24. Dezember) waren die Temperaturen verhältnismäßig mild. Aber am 20. Dezember fielen die Temperaturen sehr stark (im Durchschnitt – 4 Grad C auf den Aaland Inseln, - 7 Grad C in Helsinki, - 10 Grad C in Viipuri, - 14 Grad C in Sortavala und – 14,5 Grad C in Sodankylä). Am 21. schneite es in ganz Finnland bis zum 22. Dezember bei etwas wärmeren Temperaturen. Dann fielen diese wieder stark. Am 23. und 24. Dezember betrugen die Temperaturen in Helsinki – 15 Grad C, Viipuri – 18 Grad C, Sortavala –22 Grad C und -27 Grad C in Sodanklyä.

-          Die letzte Woche im Jahr 1939 (Montag, 25. Dezember bis Sonntag 31. Dezember) begann mit niedrigen Temperaturen. In vielen Teilen des Landes wurden die bisher niedrigsten Temperaturen gemessen. Am 25. betrugen sie in Kuopio und Jyväskylä – 23 Grad C, dann wurden am 26 Dezember – 19 Grad C in Helsinki sowie – 25 Grad C in Viipuri, - 26 Grad C in Sortaval, - 29 Grad C in Kajaani, - 23 Grad C in Oulu und – 29 Grad C in Sodanklyä gemessen. In den folgenden Tagen variierten die Temperaturen erheblich. Während Südfinnland wärmer wurde, wurde es in Lappland kälter. Der niedrigste im Dezember gemessene Wert wurde am 31 Dezember mit – 34,3 Grad C in Sodankylä gemessen. 

Erst die folgenden Wintermonate Januar und Februar 1940, die für Helsinki Abweichungen von dem monatlichen Mittel von -6,8 Grad C und – 7,3 Grad C ausmachten (s. Abb.C6-1), machten den Winter zu einem Ausnahmewinter, der im Dezember 1939 nur ungefähr 1°C unter der Norm lag. Diese Abweichung ergab sich allerdings erst durch die kalten Tage in der letzten Dezemberwoche. ´



Links: Abb. C6-5 // Rechts: bb. C6-6

  1. Zusammenfassung des Winterkrieges zu Lande und in der Luft

Aus einer so grobkörnigen Darstellung, wie sie hier nur möglich war, lässt sich ein nachhaltiger Beitrag zur Verschärfung des europäischen Winters 1939/1940 durch Land- und Luftaktivitäten 

während des Winterkrieges nicht ableiten. Dazu müssten hunderte, wenn nicht tausende Einzelaktionen akribisch mit den in Archiven liegenden Wetterdaten verglichen werden. Da eine direkte Sonneneinwirkung über die Wintersaison ausgeschlossen werden kann, ist insbesondere der Russisch - Finnische Winterkrieg ein besonders interessantes und vielversprechendes Untersuchungsobjekt. 

Gleichwohl können zwei Schlussfolgerungen getroffen werden: Zum einen deutet die deutliche Normabweichung der Temperaturen zwischen Nord- und Südfinnland auf einen entscheidenden Einfluss des Golfs von Finnland und der Ostsee insgesamt hin. Dies wird im nächsten Kapitel erörtert. Zum anderen hat die Vorbereitung zum Extremwinter weit vor der Auseinandersetzung unter dem Polarkreis seinen Anfang genommen. Der Land- und Luftkrieg hat allenfalls marginal die atmosphärische Physik beeinflusst durch mehr oder weniger Niederschläge vor Ort oder in weiter entfernten Gebieten. 

 

[1] http://www.winterwar.com/    http://en.wikipedia.org/wiki/winterwar, Carl v. Dyke (1979) „The Soviet Invasion of Finland 1939-40“, Cambridge

[2] Eine ausführlichere Zusammenstellung (in Englisch) befindet sich in: Chapter 2_41; http://www.climate-ocean.com/

[3]  http://www.kolumbus.fi/tilmari/lim.htm,  Sami H. E. Korhonen, Abschnitt: “Miscellaneous articles”; The weather during the Winter War, Part I & Part II at: http://www.winterwar.com

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