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War die Meteorologie zu unwissend, um Klimaänderungen und den 2. Weltkrieg zu verhindern?
Das Meer macht das Klima.

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Zum Thema Kapitel C7 (nachfolgend):

→ → Hamburgs minus 29,1°C Kälterekord am 13. Feb.1940 unerklärbar?  (02. Februar 2013)

Polen und Moskau hatten bereits Mitte Januar 1940 einen Allzeit-Minus-Rekord (siehe WZ-Forum: HIER). In Hamburg kam er am 13. Februar 1940. Bis heute wurden die damals gemessenen minus 29,1°C nie übertroffen (Abb. 11). Gibt es dafür eine Erklärung und einen anthropogenen Zusammenhang? Fakt ist, dass der 2. Weltkrieg im sechsten Monat war.

 

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C7. Die Ostseevereisung beweist es

a) Ein Überblick, worüber zu diskutieren ist

In dem schwedischen Eisbericht für den Winter 1939/40, verfasst von Östman (1940), lautet der Eröffnungssatz:

Die Eisverhältnisse der strengen Winter, besonders die Ausbreitung und der Mächtigkeitsgrad des Meereises, haben erneut großes Interesse durch die ungewöhnliche Kälte des letzten Winters auf sich gezogen, wie auch die damit verbundene kräftige Eisbildung (Anm.: Der Bericht umfasst 25 Seiten.).

Die Umstände und die Intensität der Vereisung der Ostsee im Winter 1939/1940 sind geeignet, den Nachweis zu führen, dass der Seekrieg einen erheblichen Beitrag geleistet hat. General Frost hätte nicht mit arktischer Kälte über Nordeuropa herrschen können, wenn es nicht schon in den Herbstmonaten zu einer höheren Auskühlung von Nord- und Ostsee gekommen wäre. Es kam zu der schwersten Vereisung der Ostsee seit 1883, und das wiederholte sich in den beiden folgenden Kriegswintern. Jeder dieser Kriegswinter ist ein interessantes Forschungsobjekt zum Thema: "anthropogene Klimaänderungen". 


Abb. C7-1

Von diesen drei Wintern ist der erste für die Untersuchung der wichtigste, obwohl er nur den zweiten Rang einnimmt. Von der Vereisungsschwere her ist der dritte Winter höher einzustufen, weil ihm eine sechsmonatige Seekriegsphase in der östlichen Ostsee vorausgegangen war, nachdem Deutschland die Sowjetunion am 22. Juni 1941 überfallen hatte. Vor dem Eiswinter 1939/1940 waren besonders die Deutsche Bucht und die südliche Ostsee bis nach Ostpreußen den Aktivitäten der Marine ausgesetzt, was entlang der deutschen und polnischen Küsten zu einer sehr hohen Vereisung führte. Im zweiten Kriegswinter 1940/1941 fiel das Seeeis etwas geringer aus, was mit den geringeren Seekriegsaktivitäten in der Ostsee zusammen hängt. Der zweite und der dritte Eiswinter werden später in Kapitel D und E5 erörtert. 

Dem ersten Winter gebührt die größte Aufmerksamkeit, weil völlig überraschend und nach vielen Dekaden die gesamte Ostsee zufror. Von den drei Wintern ist er auch der einzige, der sich aus einem "natürlichen Zustand" heraus entwickelte, was nach zwei Jahren Seekrieg in der Ostsee und anderen Seegebieten nicht mehr zutraf. Darüber hinaus war es seit dem Ende des 19. Jahrhunderts unstreitig immer wärmer geworden, und die Wärme hatte in Europa eine Höhe erreicht, wie seit einigen hundert Jahren nicht. Das verlangt nach einer Erklärung, warum es plötzlich zu einem extremen Eiswinter kommen konnte.

b) Vereisungsbedingungen, Beginn, Intensität und Dauer  - ein kurzer Überblick

Bei der Ermittlung der Seeeisausdehnung in der Ostsee während der letzten 250 Jahre sind finnische Institutionen führend. Seit 1750 hat es nur 15 Winter gegeben, die eine Vollvereisung auswiesen. Der Winter 1939/1940 war der erste im 20. Jahrhundert (s. Abb.B-9). Für die Untersuchung wird die Ostsee in drei Regionen unterteilt: Bottnischer Meerbusen, die mittlere Ostsee mit dem Golf von Finnland und die südliche Ostsee von Danzig bis Kiel, wo sich im Dezember 1939 die ersten Abweichungen vom langjährigen Mittel der Seevereisung zeigten. 

___Südöstlich von Rügen wurde Eis bereits am 18. Dezember gesichtet und blieb ohne Unterbrechung bis zum 4. April 1940. Es verschwand gänzlich am 11. April.

___ Im Norden von Schweden folgte die Vereisung auf den Inlandsseen und anschließend im Bottnischen Meerbusen in den gewohnten Zeitabläufen. An dessen Südausgang bildete sich zwischen den Aland Inseln eine feste Eisdecke rund 2 ½ Wochen früher und wurde alsbald als "Eisbrücke" für den Nachschub zwischen Schweden und Finnland genutzt. 

___Bemerkenswert verlief die Vereisung im Golf von Finnland, der trotz großer Kälte ab dem 20. Dezember noch lange offen blieb, dann aber sehr plötzlich mit der Kältewelle vom 14. - 24. Januar 1940 (Jurva, 1959) zufror. Die Verzögerung der Eisbildung einerseits sowie die schnelle und schwere Vereisung nach dem 15. Januar andererseits hängen mit den hohen Aktivitäten der russischen und finnischen Kriegsmarinen zusammen, die Artilleriegefechte zwischen See und Land sowie das Legen und Räumen von Seeminen einschlossen. Dazu mehr unten im Abschnitt C7i.

Abb.: C7-2

Der Einfluss dieser Aktivitäten wird durch einen Vergleich der beobachteten Eisstärken erkennbar: Im Bottnischen Meerbusen war das Eis nur um ca. 10 – 20 % dicker als im Mittel. Dagegen verdoppelte sich die Eisdicke in der übrigen Ostsee  von ungefähr 25 - 35 cm auf 30 – 60 cm (Östmann, 1940). In den Fahrrinnen der Insel Gotland wurden Eisstärken von 50 – 60 cm gemessen, während das Mittel bei 17 cm lag. Die schwedischen Häfen waren zwei bis vier Wochen länger vereist als sonst. Stockholm blieb statt bis zum 1. April bis zum 30. April vereist (Östman, 1940).

Die westliche Ostsee und die östliche Nordsee wichen noch weiter von der Norm ab: Auf Helgoland, der roten Felseninsel in der Deutschen Bucht, von der ein großer Teil der deutschen Marine seit dem 1. September operierte, wurde der erste Frost am 7. Dezember gemessen, und die mittleren Temperaturen lagen vom 13. -19. Dezember bei -1,6°C. Auf der Elbe wurde das erste Eis am 16. und an der Küste am 17. Dezember gesichtet und blieb ununterbrochen bis zum Frühjahr. Nördlich der Elbe bestand die Vereisung 100 Tage, südlich davon bis Emden ca. 60 - 70 Tage. 

In Dänemark war die Lage sehr ähnlich. Der Frost startete Mitte Dezember, wurde aber durch wenige wärmere Tage unterbrochen, bis am 13. - 15. Januar ein sehr starker Frost einsetzte, der bis Ende Februar blieb. In dieser Periode wuchs die Eisdicke täglich um 0,8 cm bis zum 22. Februar. Die Dauer der Vereisung reichte von einer Station mit 115 Tagen, 34 Stationen mit mehr als 100 Tagen und 99 Stationen mit 75 bis 99 Tagen. Die schwerste Vereisung wurde an 16 Stationen am 21. Februar mit 40 – 60 cm gemessen (Det Danske, 1940). Entlang des schwedischen Skagerrak und der Kattegat Küste hatte das Eis doppelt so hohe Werte wie im Mittel (Östmann, 1940). 

c. Es begann in der Danziger Bucht

Im nördlichen Teil der  Danziger Bucht ist die Ostsee bis zu 114 m tief. Davon sind Ende August, wenn die größte Wärmeaufnahme vorliegt, die oberen 20 Meter bis zu rund 18°C, die folgenden 20 m bis 60 m ca. 16° - 5°C und das Wasser unter 60 m nur noch 5°C warm. Die Bodenschicht unterhalb 60m wird von den Jahreszeiten nicht betroffen und weist konstante Temperaturwerte aus.  Die Wirkung von Wind und Wellen beschränkt sich auf die obere 20 m Schicht. 

Nur ein Seekrieg kann über die Gesamttiefe Vermischung und Umschichtungen bewirken. Dieser fing am 1. September in der Danziger Bucht an, als das Schlachtschiff aus dem 1. Weltkrieg, die „Schleswig-Holstein“, mit 280 und 150 mm Kanonen ab 04:45 Uhr in der Frühe die polnische Garnison auf der Westerplatte beschoss. Sie war in Begleitung einer Armada von rund vier Dutzend Kriegsschiffen, die sich in und vor der Danziger Bucht aufhielten. Rund dreizehn Tage dauerte der Schusswechsel zwischen den Schiffen auf See und der Westerplatte. Die letzte polnische Küstenbatterie auf der Halbinsel Hela wurde von zwei Schlachtschiffen in der Zeit vom 25. - 27. September zusammengeschossen. In der Schlacht um Hela (9. September bis 2. Oktober 1939) soll die deutsche Luftwaffe 50 Maschinen verloren haben[1]. Innerhalb von 4 Wochen war die südliche Ostsee unter Kontrolle der Kriegsmarine. Minenfelder wurden gelegt, zehntausende Seeleute trainiert, das Seegebiet überwacht und Waren transportiert. 

d. Ein Mirakel wäre es, hätte die Ostsee nicht reagiert

Die Ostsee ist ein komplexes Gebilde, dessen wichtigste Funktion darin besteht, über die Sommersaison Wärme aufzunehmen, um sie über den Winter hinweg wieder freizusetzen und so zu milden Wintern in Nordeuropa beizutragen. Wird in diesen Prozess im Herbst eingegriffen, so hat das Konsequenzen: 


Abb.: C7-3

Die Wärmeaufnahme beschränkt sich überwiegend auf die obere Wasserschicht von 15 – 20 m. Die sich anschließende Wasserschicht wird durch interne Strömungen vermischt und schwankt nur um wenige Grad (rund 6 - 10°C). Der Verlust der Sommerwärme wird neben internen Vorgängen, die vom Salzgehalt und der Temperatur abhängen, auch durch die Wirkung des Windes beeinflusst. Je stärker und länger der Wind weht und je kälter die Luft ist, desto stärker und nachhaltiger wird dem Meer die Wärme entzogen. Der Prozess kann auch, je nach Jahreszeit und Bedingungen, umgekehrt verlaufen, indem warmes Wasser von der Oberfläche in größere Tiefen gedrückt wird.

Ab Herbst ist der Prozess auf Wärmeverlust angelegt. Je mehr die obere Wasserschicht Wärme verliert, desto schwerer wird das abgekühlte Wasser. Es sinkt und wärmeres Wasser kann die Meeresoberfläche erreichen. Dieser Prozess wird stark beeinflusst durch den Salzgehalt. Eine hohe Salzkonzentration macht das Wasser schwerer. Warmes Regenwasser tendiert auf der Meeresoberfläche zu „schwimmen“: Kaltes und salziges Wasser forciert den Wasseraustausch von unten nach oben. Dieser Prozess läuft solange, bis der Gefrierpunkt erreicht ist und das Wasser gefriert. Unter der Eisschicht kann sich der vertikale Wasseraustausch fortsetzen, doch ein weiterer Wärmeverlust an die Atmosphäre ist stark reduziert.

Mit einer mittleren Tiefe von nur 55 Metern und einem sehr geringen Salzgehalt, dieser auch nur in der westlichen Ostsee, unterscheiden sich die physikalischen Bedingungen von denen in den Ozeanen erheblich. Diese sind viel komplexer als diejenigen in der Ostsee, die als Binnenmeer und nahezu frei von Gezeiten ein einfacheres Forschungsobjekt ist. Auch die Nordsee ist in vielerlei Hinsicht komplexer. Für diese Untersuchung ist der massive militärische Einsatz in der Ostsee im Herbst 1939 als eine ‚Versuchsanordnung’ zu verstehen, die wie ein Orkantief in die Struktur der Wasserschichten eingegriffen hat.

e. Umgewühlt von Kiel bis Danzig

Die Länge der südlichen Ostseeküste beträgt rund 700 km. Mit ca. 20 bis 50 Meter Wassertiefe im westlichen und wenigen Metern mehr im östlichen Teil ist das Seegebiet südlich von Schweden nicht sehr tief. Nahe den dänischen Belten und Sunden ist der Salzgehalt am höchsten. Weiter östlich im Arkona Becken, mit einer Wassertiefe von rund 40 m, liegt Anfang September der Temperaturbereich zwischen 8 bis 19°C. Dies dürfte repräsentativ für das ganze Seegebiet bis nach Danzig sein. Hier tummelten sich hunderte von Kriegsschiffen seit dem 1. September. Es wurden Seeminenfelder gelegt, Wasserbomben geworfen, Schiffe beschossen sowie ein riesiges Kontroll- und Überwachungssystem etabliert. 


Abb.: C7-4

Schon unmittelbar nach Kriegbeginn waren tausende Seeminen südlich von Dänemark in Wartestellung gebracht worden. Eines der ersten Opfer war das 1.555 t. große griechische Schiff Kosti, welches am 04. September  2 Seemeilen südlich von Falsterbo in Schweden auf eine Mine lief und eine gewaltige Explosion auslöste (‚terrific explosion’, NYT, 5. Sept. 1939). Selbst der polnischen Kriegmarine gelang es noch Mitte September, trotz der hohen Präsenz der Kriegsmarine in der Danziger Bucht, Seeminen auszulegen. Auch die Kriegsmarine hatte Verluste durch eigene Minen, z.B. wurde ein Lotsenboot in die Luft gesprengt (NYT, 17. Okt. 1939), einige Wochen später ein Küstenwachschiff (NYT, 26. Nov. 1939) und danach ein Minensuchboot, das in zwei Minuten sank (NYT, 5. Dez. 1939). Ähnliche Ereignisse, die in der einen oder anderen Weise tief in die "natürliche Struktur" der Wassersäule eingriffen, gab es zu vielen Tausenden. In der Summe trugen sie zu den extremen Winterbedingungen bei, die besonders  die See- und Landregion zwischen Hamburg und Königsberg im Norden, Prag und Warschau im Süden betraf. 

Der Trend, vom Mittel abzuweichen, zeichnete sich in einer Reihe von Wetterbeobachtungen schon früh ab. Hier ein paar Auszüge aus den täglichen Witterungsberichten der Seewarte in Hamburg, die erkennen lassen, dass es sich lohnen würde, den meteorologischen Herbst 1939 gründlich auf einen Zusammenhang mit den Seekriegsaktivitäten in der südlichen Ostsee zu untersuchen.

·         24.  September 1939: Auf der Rückseite des über Westrussland abziehenden Tiefs ist die arktische Kaltluft weiter über Norddeutschland vorgedrungen. Sämtliche in der Kaltluft gelegenen Aufstiege (von Messgeräten) zeigen in der unteren Troposphäre kräftige Abkühlung von 5° C und mehr gegenüber dem Vortage, darunter auch Königsberg, wo schon am Vortag ein Temperaturrückgang gleichen Ausmaßes beobachtet wurde. Bis in die baltischen Staaten hinab kommt es schon zu Schneefällen (Text in Klammer hinzugefügt). 

·         11. Oktober 1939: Weiter im Osten des Reiches ist wieder Abkühlung durch die vom finnischen Hoch herangeführte kalte Luft arktischen Ursprungs eingetreten (Königsberg     -3°C im Mittel). Im Bereich dieser Luftmassen ist es in der Danziger Bucht erstmalig in diesem Jahr zu leichten Schneefällen gekommen. 

·         19. Oktober 1939: Damit hat sich wieder eine Wetterlage eingestellt, wie sie in diesem Monat schon häufiger zu beobachten war. Eine Hochdruckzone vom Atlantik über Südskandinavien bis Russland. Tiefdruckwirbel nördlich und südlich davon. 

·         31. Oktober 1939: Das südskandinavische Hoch hat sich nur wenig ostwärts verlagert. Auf seiner Südost-Flanke strömt weiterhin die Kaltluft südwärts und hat den Balkan und die Alpen erreicht. Nördlich des erwähnten Hochs herrscht lebhafte Westwinddrift. 

·         1. November 1939: Der gestern mit Schneeschauern in der südlichen Ostsee sich andeutende Schwall kälterer Luft ist bis zur Linie Böhmen - Deutsche Bucht geführt worden und hat östlich der Elbe 1-3°C Abkühlung in der unteren Troposphärenhälfte gebracht. 

·         11. Dezember 1939: Das gestern über Schottland gelegene Tief ist stark aufgefüllt. Seine Front scheint nunmehr stationär geworden zu sein. Dies wird hervorgerufen durch den anhaltenden Druckanstieg über Skandinavien und dem Ostseeraum, der zur Verstärkung der Ostströmung über dem Reich führte. 


Abb.; C7-5

Die Vereisung der südlichen Ostsee begann schon Mitte Dezember 1939; Danzig 11.12.; Travemünde 17.12. und Flensburg 18.12.. Es gab ungewöhnlich schwere Eisverhältnisse, die für 60 bis 100 Tage Bestand hatten, in Danzig bis April 1940. Da die von den deutschen Diensten gefertigten Eiskarten verloren gegangen sind, und andere Dienste die Eisverhältnisse im deutschen Einflussbereich nicht dokumentierten, ist zu wenig Material vorhanden, um die Eisentwicklung entlang der deutschen Ostseeküste zu diskutieren. 

f. Die Skandinavier in Aktion und die Vereisung des Kattegatts

Von dem Tage Null des 2. WK an versetzten alle Länder rund um die Ostsee ihre Kriegsmarinen in Alarmbereitschaft, und es wurden auf See Überwachungs-, Schutz- und Trainingsmaßnahmen durchgeführt. Im Golf von Finnland lagen bereits finnische und russische Seeminen. Dänemark und Schweden kündigten das Auslegen von Seeminen an. Auch als Nichtkriegspartei lebte man nicht ungefährlich, wie das folgende Beispiel zeigt:

- In den Gewässern vor Kopenhagen trieben Hunderte von Minen, die durch Stürme in deutschen Minenfeldern losgerissen wurden. Viele explodierten mit gewaltiger Wucht, Häuser wurden beschädigt, Scheiben zerplatzten, die Bürger waren sehr verängstigt. Die dänische Marine zerstörte 43 Seeminen nahe Koege Bucht, wo 100.000 Kopenhagener lebten. Entlang der Südküste mussten bei Minenalarm ganze Dörfer geräumt werden, während Experten die Minen unschädlich machten oder sprengten. Es sind jedoch zu viele Minen, die sich aus der Verankerung gelöst haben und herumtreiben, und das Wetter ist zu schlecht, um sie alle zu zerstören (NYT, 6. Nov. 1939).

- Im Dezember gehen durch schwedische Minen die schwedischen Schiffe Torö (1.467 BRT) und Algol  (987 BRT) verloren. 

Auch im Kattegat kam der Winter früh: Bereits ab Mitte Dezember wurden Fröste registriert und der tiefste Dezemberwert mit -22,2°C gemessen (Det Danske, 1940). Bereits am 19. und 26. November 1939 hatte das dänische Feuerschiff ‚Anholt Knob’ Schneefall gemeldet, wie auch vom 18. – 31. Dezember. Vom 26. – 31. Dezember berichteten die meisten Feuerschiffe Dauerfrost (‚Lappegrund’, max. –6,3°C). Zugleich fiel die Seewassertemperatur unter 0°C, was ungefähr 4-6°C unter dem langjährigen Mittel lag. Seeeis wurde ab Mitte Dezember beobachtet und hielt sich bis zu 115 Tage. Alsbald wurden alle Feuerschiffe eingezogen und erst nach dem Ende des Winters wieder auf Position gebracht. Ab 19. April wurde kein Eis mehr gesichtet. 

g. Die Lage im Skagerrak

Das Material über das Skagerrak in den ersten Kriegsmonaten ist dürftig. Die Deutschen unternahmen große Anstrengungen, feindlichen Schiffen die Zufahrt in die Ostsee zu unterbinden. Neben Flugzeug- und Schiffsüberwachung sollten auch Seeminensperren dies verhindern. Die NYT berichtet, dass die deutsche Regierung eine Warnung an alle Schiffe herausgegeben hat, dass diese sich von drei Gefahrenzonen vor dem Zugang zur Ostsee fernhalten sollten, da sie vermint seien“ (NYT, 11. Sept. 1939).

Vor Wintereintritt wird sich vieles in dem Seegebiet ereignet haben, was heute nur noch schwer zusammengetragen werden kann. Dazu gehört z.B. auch, dass 

__die schwedischen Fischerboote Hugin (6.10.), Essie (3.10.) und Elly (6.11.) durch von Flugzeugen abgeworfenen Seeminen verloren gingen. Ein sieben Mann starkes Expertenteam vom schwedischen Schlachtschiff Manlighenten flog mit seinem Boot in die Luft, als es eine Seemine inspizieren wollte (NYT, 14. Dez. 1939). 

__Das dänische Feuerschiff „Skagen Rev“ dokumentierte bereits 6 Frosttage vom 7. – 15. Dezember. Eine größere Seevereisung des Skagerraks wurde Mitte Februar 1940 beobachtet, als berichtetet wurde, dass Dänemark den kältesten Winter seit 1860 erlebt (NYT, 15. Feb. 1940). 

h. Die Vereisung der Deutschen Bucht

Die ungewöhnlich schwere Vereisung in der Deutschen Bucht kann als Nachweis dienen, dass die vielfältigen Seekriegsaktivitäten rund um Helgoland  dazu beigetragen haben. In den Monaten September bis zum Jahresende fallen die Wassertemperaturen in der Deutschen 


Abb.; C7-6

Bucht um rund 10°C. Die Wassersäule ist durch die Gezeiten und die geringe Wassertiefe von 40 m relativ homogen temperiert und fällt von rund 18°C im frühen September auf 8°C im Dezember. Weitere 4°C werden bis März abgegeben, so dass im Normalfall immer noch eine Reserve von einigen Graden über dem Gefrierpunkt vorhanden ist. Die See ist ca. 70 km nordwestlich von Helgoland mit 30 - 34‰ bereits nahe am Salzgehalt des Atlantiks (ca. 35,4‰). Landwärts ist sie weniger salzig und gefriert schneller.

Die Seevereisung wurde die schwerste seit langem. Jedenfalls hatte es in den vorausgegangenen Dekaden keine so schwere Vereisung gegeben. Das lässt sich unschwer mit der hohen Belastung der Meeresumwelt im Herbst und Winter 1939/1940 in Verbindung bringen. Dabei dürften insbesondere die riesigen Minenfelder eine Rolle gespielt haben, die die Kriegsmarine von Terschelling über eine Distanz von rund 350 km nordwärts bis zum Skagerrak verlegt hatte. Bis zu 25 Minenleger wurden zeitweilig über viele Wochen gleichzeitig eingesetzt. Ca. 6.000 Seeminen konnten sie an einem Tag auslegen. Bis zum Monatsende waren sicherlich mehr als 30.000 Minen verlegt, bis zum Jahresende möglicherweise bis zu 100.000. Hunderte Kriegsschiffe operierten von Helgoland aus in der Deutschen Bucht. Diese Schiffansammlung und Küstenorte wurden wiederholt von Bomberflotten der Royal Airforce angeflogen. 

Die niedrigen Lufttemperaturen und die frühe Seevereisung im Dezember 1939 sind ein starkes Indiz für einen Zusammenhang mit dem vorausgegangenen Wärmeverlust der See durch  militärisches „Rühren und Schütteln“. Dazu der Hinweis, dass für den Beginn einer Seevereisung in der Nordsee wenigstens 4 - 5 Tage die Temperaturen unter dem Gefrierpunkt gewesen sein müssen. 

Ein Überblick:

-          11. Dezember 1939: Helgoland meldet Frost am 11. sowie 13. – 19. Dezember, mittlere Temperaturen von -1,6°C. (15.12. mT -3,6°C; 16.12. mT -4,5°C) und erneut Minustemperaturen vom 26. bis 31. Dezember.

-          16. Dezember 1939: Eis auf der Elbe bei Hamburg und Glückstadt über 90 Tage bis Mitte März.

-          17. Dezember 1939: Seeeis in Tönning bei Husum für 100 Tage.

-          17. - 21. Dezember 1939: Von nahezu allen Nordseestationen wird

Eisbildung gemeldet, die sich für lange Zeit hielt:

·         Von Borkum bis zur Elbe ca. 60 - 70 Tage,

·         von der Elbe bis Tönning ca. 70 - 102 Tage und

·         nördlich von Tönning bis List auf Sylt (ab Januar) ca. 60 Tage. 

Von Stationen aus Dänemark, Holland und Belgien wurde berichtet:

-          2. Januar 1940: Esbjerg, leichte Vereisung, Schifffahrt nicht behindert; die Seebojen wurden in den folgenden 10 Tagen eingezogen.

-          6 Januar 1940: Treibeis auf der Ostschelde. Ameland zeitweilig durch Eis vom Festland abgeschnitten. Die Maas ist zugefroren von Woudrichem bis Heusden.

-          14. Januar 1940: Das Treibeis auf der Schelde hat die Bojen weggerissen. Es wurde schnell deutlich erkennbar, dass die letzten 9 Tage die Bedingungen rapide verschlechtert haben und es erste deutliche Anzeichen dafür gibt, dass etwas Außergewöhnliches in Gange ist, besonders das Zufrieren der Schelde und der Maas. (Frankcom, 1940).

-          17 Januar 1940: Zum ersten Male seit vielen Jahren ist die Nordsee vor Jütland bis 2 Meilen vor der Küste vereist. Jütlands Fjorde sind zugefroren. Das Eis ist am Ende des Limfjord 3 Meter dick. In der Nacht wurden in Dänemark -23°C gemessen. 

-          23. Januar 1940: Weiter erschwerte Eisbedingungen auf allen Flüssen und Wasserstraßen. Der Wasserweg nach Brüssel ist geschlossen. Es wurde festgestellt: „…die Erstreckung der Eisbildung in die Nordsee hinaus ist ein eindeutiger Hinweis, dass sehr ungewöhnlich schwere Wetterbedingungen gegeben sind. Es ist insbesondere sehr ungewöhnlich, dass die Schifffahrt durch Eisbedingungen auf der Schelde zum Erliegen gekommen ist (Frankcom, 1940).

i. Wie im Golf von Finnland eine frühe Vereisung verzögert wurde

Seit dem 30. November 1939 war der Golf Kampfgebiet zweier Marinen, die insgesamt aus einer Armada von rund 200 Schiffen, vielen Landbatterien und Flugzeugen bestand. Der im Mittel nur 38 Meter tiefe Meerbusen war mit vielen Minensperren übersät, die zum Teil schon vor dem 30. November gelegt worden waren. Es wurden neue gelegt, andere geräumt. Bereits am 30. November war die Baltische Flotte der Sowjet Union mit mehr als 100 Schiffen im Einsatz, 


Abb. C7-7

bombardierte Hango im Südwesten von Finnland, besetzte vier unbewohnte Inseln und war in weitere Gefechte verwickelt. Wiederholt kam es zu längeren Gefechten zwischen Kriegsschiffen der Baltischen Flotte und Landstationen, in denen die Russen auch Flugzeuge einsetzten, z.B. in Koivisto (NYT, 20. Dez. 1939). Die vielfältigen und zahlreichen Aktivitäten verursachten Bedingungen, die sich besonders gut für die Klimaforschung eignen.

Maßstab der Dinge ist zum einen die späte Vereisung und danach die Schwere der Vereisung. Nachdem die Lufttemperaturen seit dem 20. Dezember rund sieben Grad unter den durchschnittlichen Werten gelegen hatten, wäre eine Vereisung schon in der ersten Januarhälfte zu erwarten gewesen. Selbst in den letzten Dekaden friert der Golf in den ersten drei Wochen zu (Abb. links). Das war im Januar 1940 anders. Der finnische Eisexperte Erkki Palosuo, der während des Krieges Eiserkundungsflüge durchführte, berichtete:

Am 15. Januar war die See im Golf von Finnland noch offen bis Pellinki (ca. 60 km östlich von Helsinki). Auch Teile des südlichen Bottnischen Meerbusens waren noch eisfrei. Dann vereisten die offenen Seegebiete sehr schnell und am 27. Januar, während ein schwacher Wind mit 3 - 4 Windstärken aus Nordosten wehte, fror auch der nördliche Teil der mittleren Ostsee vor Utö zu (Palosuo, 1953). 

Dieses späte, dann aber rasche Vereisung ist ein starker Hinweis für den Einfluss des Seekrieges auf das Gewässer. Dies wurde so lange eisfrei gehalten, bis das letzte Quäntchen Wärme aus der Wassersäule heraus war. Dann ging es sehr schnell, und die Eisstärke fiel besonders hoch aus, was zur Länge des Winters beigetragen haben wird. 

Um nochmals die ungewöhnliche Verzögerung der Vereisung zu unterstreichen, obwohl es seit dem 20. Dezember weitaus kälter als in früheren Wintern gewesen war, wird ein kurzer Überblick über einige Temperaturdaten wiedergegeben: 

-          8. Januar 1940: Rekordtiefe: -35°C legen das öffentliche Leben in Nord- und Zentralrussland lahm (NYT, 9. Jan. 1940).

-          13. Januar 1940: Riga: Die mit -40°C schwerste Kältewelle im Baltikum seit Jahren ist sehr plötzlich zu Ende gegangen. Die Temperatur stieg rapide auf rund -20°C (few degrees below zero Fahrenheit) an, und das Packeis wird die Schifffahrt für einige Zeit behindern (NYT, 14 Jan. 1940). 

-          18. Januar 1940: Temperaturen von weniger als -45°C wurden von mehreren Stationen gemessen. In Nickby im Nordosten von Helsinki wurden mit -50°C die kältesten Werte seit 1878 registriert. Helsinki meldet -24°C (NYT, 19. Jan. 1940).

-          21. Januar 1940: Der kälteste Winter seit einem halben Jahrhundert. In Moskau fielen die Temperaturen am 17. Januar auf -45°C, in Teilen Finnlands auf -50°C (NYT, 21. Jan. 1940).

Selbst wenn einige Temperaturwerte aufgebauscht sind, ist die Temperaturlage seit dem 20. Dezember schlicht phänomenal und hätte in Friedenszeiten den Meerbusen weitaus früher mit einer Seeeisdecke überzogen.  


Abb.; C7-8

Abschließend die Beschreibung der meteorologischen Großwetterlage durch den schon zitierten finnischen Eisexperten Erkki Palosuo (1953) wie folgt: 

·         Am 15. Januar 1940 hatte ein Hochdruckgebiet über Grönland eine bemerkenswerte Stärke erreicht (1065 mb). Dem lag ein Tief über Zentralrussland (mit 995 mb) gegenüber, wodurch sehr kalte Luft mit hoher Geschwindigkeit von der Nordseite des Tiefs nach Westen floss und den Baltischen Ländern starke Fröste brachte. Die Kälte generierte einen selbständigen  „Kaltlufttropfen“ (cool air pool) in Deutschland, der sich für nahezu eine Woche hielt (Anm. Luftdruck hinzugefügt).

·         Der oben erwähnte Kaltlufttropfen über Deutschland bewegte sich am 24. Januar in die Baltische Region, wurde dort verstärkt, um am 7. Februar zurück nach Deutschland gedrückt zu werden. Am 12. Februar war das Zentrum in der Gegend von Hamburg, von wo aus es sich bis zum 20. Februar langsam nach Ostdeutschland bewegte.

Zur Erinnerung: Am 12. - 13. Februar wurden extrem niedrige Werte in Hamburg an zwei Tagen registriert und am 13. Februar 1940 der noch heute bestehende Kälterekord mit -29,1°C gemessen (Hamburger Abendblatt, 7. Jan. 2009).

j. Zufall ausgeschlossen 

Die beschriebenen Ereignisse und Daten lassen deutlich erkennen, dass Zufall ausscheidet. Warum waren Nord- und Zentraleuropa so schwer betroffen - besonders eine Stadt wie Hamburg? Die Hansestadt liegt zwischen beiden Meeren, deren Seegebiete, insbesondere die Deutsche Bucht und die südliche Ostsee, am stärksten von den Aktivitäten der deutschen Kriegsmarine betroffen waren. Südeuropa, einschließlich der Schweiz, blieb dagegen von den arktischen Temperaturen im Norden weitgehend verschont, weil diese Länder so weit vom Kampfgetümmel der aufeinander einschlagenden Kriegsmarinen entfernt waren. Vergleiche dazu die Temperaturkarten: TB1, TB4, TB6 und TB7 (Kapitel A2, C1, C5 & C8). 

Leider hat die Klimaforschung keine Anstrengungen unternommen, anhand der Bedingungen während des Winterkrieges zwischen Russland und Finnland, die anthropogene Komponente der Vereisung des Finnischen Meerbusen zu untersuchen. 

Abb.: C7-9

Abb.: C7-10

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abb.: C7-11

Abb.: C7-12


[1] Quelle:  http://de.wikipedia.org/wiki/Halbinsel_Hel, Referenz: Commager, 2004.

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