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B. Drei aufeinanderfolgende Kaltwinter - ein Beweis?
Vor 70 Jahren wurde der Wissenschaft der Einfluss des Seekrieges auf das Wetter durch einen zeitlich und regional begrenzten Versuch vorgeführt. Es ergab sich ein sehr überschaubares Ereignis, die drei extremen Kriegswinter 1939/1940, 1940/1941 und 1941/1942. Nur sehr wenige Experten erkannten, dass etwas sehr Ungewöhnliches geschehen war. An vielen Orten in Nordeuropa waren es die kältesten Winter seit über 100 Jahren. Es war, als wenn ein eindeutiges Beweisstück der Wissenschaft auf einem silbernen Tablett serviert würde. Nur wenige Zeitzeugen erkannten wenigstens, dass etwas Ungewöhnliches passiert war, die Dimension das Ereignis zu erkennen, verfehlten sie völlig. Sie brachten ihre Verwunderung zum Ausdruck, dass man sich an mildere Winter so sehr gewöhnt hatte, dass man glaubte, die „old fashioned" kalten Winter seien für immer vorbei (Drummond, 1943). Präziser beschrieb Liljequist (1942, Isvintern) seine Verwunderung: Nach den beiden strengen Wintern 1939/40 und 1940/41…hatte man gehofft, dass der Winter 1941/42 zu einer Wiederkehr der milden Winter, die früher geherrscht hatten, führen würde. Stattdessen wurde dieser Winter zu einem der härtesten, wenn nicht zum härtesten aller Winter in den letzten 200 Jahren. Bis heute ist die Wissenschaft nicht in der Lage gewesen, diese Botschaft zu lesen. Welche Ereignisse muss die Natur noch aufbieten, damit die Wissenschaft aktiv wird? Schon vor hundert Jahren hätten die meisten mit dem europäischen Winterwetter vertrauten Experten nicht gezögert zu bestätigen, dass drei hintereinander gereihte kalte Winter höchst unwahrscheinlich sind; dass sie praktisch nicht vorkommen. Spätestens nach dem Überfall der Deutschen Armee auf Russland und dem desaströsen Winter 1941/1942 lagen den Meteorologen Fakten vor, die auf die große Ausnahme hindeuteten. Doch die Wissenschaft hat sich dieser Sache nie angenommen. Sie ist auch sieben Dekaden später nicht in der Lage zu erklären, was sich im Einzelnen abgespielt hat und wie es zu diesen Kaltwintern gekommen ist. Wie schwerwiegend und ungewöhnlich diese Ausnahme war und wo der Schwerpunkt der Ereignisse lag, ist Gegenstand dieses Abschnitts. Die Ursachenforschung im Einzelnen wird anschließend in den Kapiteln zu den jeweiligen Kriegswintern erfolgen. Es ist eindeutig erkennbar, dass diese drei aufeinanderfolgenden Extremwinter nur in Nordeuropa in Erscheinung traten, wo über diesen Zeitraum die größten Seekriegsaktivitäten stattgefunden haben. Warm und Wärmer – Was war vor 1939? Das Jahrzehnt vor dem zweiten Weltkrieg war das wärmste seit Beginn der meteorologischen Aufzeichnungen. Insbesondere nach dem Ende der Kleinen Eiszeit um 1850 ist die Welt wärmer und wärmer geworden. Selbst der letzte große Vulkanausbruch, der des Krakatau im Jahr 1883, dessen Aschewolke die Sonneneinstrahlung um bis zu 20 % über drei Jahre verringerte (Wexler, 1951), hatte keine so starke Auswirkung gezeigt wie die ersten drei Kriegswinter. Seit dem Winter 1918/1919 kam es auf der Nordhalbkugel zu einem verstärkten Temperaturanstieg. Rodewald (1948) brachte dies – wie bereits erwähnt – so zum Ausdruck: „das eine `säkulare Wärmewelle` den größten Teil der Erde erfasst hatte. Diese äußerte sich bei uns besonders in einer Milderung der Winter, die, schon seit dem vorigen Jahrhundert im Gange, von 1900 bis 1939 immer ausgeprägter wurde“ Der Zusammenhang zwischen diesem Ereignis und dem Ersten Weltkrieg wird im späteren Kapitel I (S. 145ff) des Buches dargestellt. Die Erwärmung dauerte in den USA bis 1933, während sie in Europa bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges (2. WK) andauerte, um dann auch hier zu enden. Dies geschah sehr abrupt. Tatsache ist, dass Nordeuropa sich mehr erwärmte als Südeuropa sowie der Norden von Skandinavien mehr als Zentraleuropa. Die „große Klimawende" kam 1940 (Groissmayr, 1947/1949). Der Temperaturanstieg drehte in eine Abkühlung (siehe: TK2 & TK3; S.11 & 21). Nicht nur Europa wurde von drei Extremwintern, vielmehr wurde die ganze Welt mit einer drei Dekaden andauernden globalen Abkühlung, die im Winter 1939/1940 ihren Anfang nahm, überzogen. Siehe dazu TK12, S.123, die die Änderungen in 3-Jahrgruppen 1937-1951 und Dekaden 1930er-1970er zeigt. b. Zeitzeugen beobachteten einiges, verstanden es aber nicht Wenn es noch möglich wäre, würde mein erster Dank an den Schweden Gösta H. Liljequist für seinen schon im Jahre 1943 veröffentlichten Artikel über die Temperaturentwicklung in Stockholm gehen. Schon damals wies Liljequist nach, dass es so etwas noch nicht gegeben hat, jedenfalls nicht in Stockholm seit 1757. Solche Beobachtungsreihen gab es in Europa nur sehr wenige. Noch nie waren drei so kalte Winter unmittelbar aufeinanderfolgend beobachtet worden. Darüber hinaus war die Abweichung gegenüber der nächsten Serie so gewaltig, dass jedem Beobachter ganz klar sein musste, dass die ersten drei Kriegswinter des 2. WK in einer anderen Liga spielten. Die Meteorologen insgesamt vermochten leider ebenso wenig wie Liljequist diese Zeichen zu lesen und zu verstehen. Der Seekrieg vom Eingang zum Englischen Kanal bis zum Golf von Finnland bewirkte diese Ausnahmewinter. Wie Groissmayr den Fall präsentierte: F. B. Groissmayr gehörte zu den wenigen Experten, die sich während des Krieges der „strengen Wintergruppe 1940 – 1942“ angenommen haben (Groissmayr, 1944). Damals schrieb er: „Um zu wissenschaftlich eindeutigen, die außergewöhnliche Härte dieser Winter scharf betonenden Ergebnissen zu gelangen, habe ich für lange Reihen Dreiergruppen gebildet, die mit 1942 endigen, … In allen Fällen überragt die 1941er Gruppe alle anderen bei weitem, ganz ungeheuer ist die Januarstrenge in Schweden, …“ Diese Zusammenstellung erfolgt für Dresden, Uppsala, Zürich und Königsberg, die er als „Fig. 1“ (hier: Abb. B-3) beifügte und die hier überarbeitet ebenfalls eingefügt ist. Die Daten für die Wintergruppe 1940/1942 sind in der Tat imponierend und sollten jedem Klimaforscher zu denken geben. Während über den gesamten Zeitraum von 1853 bis 1942 keine Wintergruppe mehr als -2 Grad C vom Mittel abweicht, sind es in der Kriegswintergruppe fast – 7 Grad C. Eine entsprechende Januar-Abweichung in Schweden bezeichnet Groissmayr als „ungeheuer“. Doch diese Darstellung als „wissenschaftlich“ zu bezeichnen, überzeugt nicht. Damals scheinen die „wissenschaftlichen Standards“ so gewesen zu sein. Temperaturkarte
3 (TK3) Zwei Norweger waren der Sache so nahe, aber …! 1950 veröffentlichten Hesselberg und Birkeland eine umfassende Analyse über das norwegische Klima. Diese Analyse enthielt auch einen detaillierten Hinweis auf die Temperaturrekorde im Januar 1941 an allen Stationen. Sie waren Zeugen der Besetzung von Norwegen durch die Deutschen, nur wenige Monate bevor Südnorwegen vom kältesten gemessenen Winter erfasst wurde. Sie hatten selbst miterlebt, wie sich Norwegens wärmste Dekade von 1930 bis 1939 mit den drei kalten Kriegswintern in einen Gegentrend drehte. Obwohl diese und viele andere Informationen Hesselberg und Birkeland bekannt waren und in ihrer Arbeit berücksichtigt wurden, widmeten sie diesen wenig Aufmerksamkeit und waren offensichtlich nicht in der Lage, nach Ursachen zu fragen und den Krieg in Erwägung zu ziehen. Wie aus der beigefügten Aufstellung ersichtlich, sind einige Winterabweichungen kolossal. Der Luftdruck, die Temperaturen und die Windrichtung wichen weit von der Norm ab. Doch auch Wissenschaftler aus einem maritimen Land wie Norwegen waren damals noch weit entfernt, den Einfluss der Meere auf das Wetter und Klima hinreichend einzuordnen. Spätestens der Winter nach der Okkupation war ein deutlicher Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen den Aktivitäten in den norwegischen Küstengewässern und den Temperaturrekorden im Jahre 1941. Die Kälte von einem Schweden kalkuliert. Er ist schon erwähnt worden, der Schwede Gösta H. Liljequist und seine ausführliche Analyse (Liljequist, 1943) über den Winter und die Klimaentwicklung in Stockholm. Zunächst eine Passage aus seinem Eisbericht für den Winter 1941/42 (Liljequist, 1942): Drei strenge Winter hintereinander sind sehr selten. In der fast 200-jährigen Aufzeichnung von Stockholm gibt es nur zwei Fälle, wobei der späteste die Winter 1802 -1804/05 war. Keine dieser „Drei-Winter“ Perioden ist jedoch so kalt gewesen wie die gerade überstandene. Schweden, wie alle anderen Länder direkt an der Ostsee, waren besonders von dem kalten Zugriff aus der Arktis betroffen. Stockholm lag nahe an der Meeresregion der Ostsee, welche am häufigsten von Seekriegsaktivitäten überzogen worden war. Schon 1943 erbrachte er den Nachweis, dass etwas so Außergewöhnliches eingetreten war, was Generationen von Wissenschaftlern nicht hätte ruhen lassen dürfen, bevor sie nicht mit einer überzeugenden Erklärung hätten aufwarten können. Die vom schwedischen Wetterservice umfänglich aufgezeichneten Beobachtungen und Analysen sind selbst heute noch geeignet, diesen Extremwintern auf die Spur zu kommen. Dazu zwei Grafiken: B-5 & B-6. In einer Grafik sind die sechs kältesten Gruppen von je drei kalten Wintern in Folge für den Zeitraum 1750 bis 1950 dargestellt. In der Zeitspanne von 1750 bis 1831 befinden sich alle Wintergruppen, die 5 Grad C unter dem Mittelwert gelegen haben. Das Maximum wird von der Gruppe 1802/1803 bis 1804/1805 mit -5,7 Grad C erreicht. Damals herrschte in Europa noch die Kleine Eiszeit. Dann kommen die drei Kriegswinter, denen ein Jahrhundert mit einer globalen Erwärmung vorausgegangen war. Sie brachen nicht nur einen Rekord mit 0,1 Grad C oder 0,2 Grad C, sondern stellten mit einer negativen Abweichung von -0,6 Grad Celsius alle vorausgegangenen Abweichungen in den Schatten. Kein Wunder das Groissmayr, wie schon erwähnt, sie als „ungeheuer“ bezeichnete. Um das zu unterstreichen, ist eine weitere Grafik beigefügt B-6), die insgesamt Auskunft gibt über die ständige Erwärmung der Stockholmer Winter seit 1750. Danach handelt es sich nicht um eine praktische Abweichung von -0,6 Grad C, sondern gegenüber der zweitkältesten Gruppe (1803-1805) von mehr als 2 Grad C. So etwas hatten die Meteorologen vermutlich noch nicht beobachtet. Doch die Experten haben weder etwas bemerkt noch haben sie je in den seitdem vergangenen 70 Jahren Interesse bekundet. Rodewald bringt die Kaltwinterserie von 1780 bis 1859 ins Gespräch. In dieser Zeit gab es zwei bis vier sehr strenge Winter pro Dekade. In den darauf folgenden 8 Jahrzehnten gab es nur die beiden sehr strengen Winter 1871 und 1929, wozu Rodewald in Anbetracht der Winter ab 1939 bemerkt: Erst das 40er Dezennium dieses Jahrhunderts setzt mit den sehr strengen Wintern von 1940, 1942 und 1947 der langen an extremen Wintern armen Zeit ein Ende. Sollte hiermit wieder eine Epoche wie von 1780 bis 1859 angebrochen sein, so wäre jetzt durchschnittlich etwa alle vier Jahre ein sehr strenger Winter zu erwarten, und das über viele Jahrzehnte hinaus. (Rodewald, 1948) Da diese kalten Winter nicht kamen, verpasste Rodewald erneut die Einsicht, dass die extremen Winter der 1940er Dekade besondere Ursachen gehabt haben mussten (siehe auch: A2c, Seite 4f). Die erwähnten Forscher waren Zeitzeugen und analysierten die Beobachtungen seit Kriegbeginn unmittelbar. Alle erkannten völlig unabhängig voneinander, dass sich hier etwas ganz Außergewöhnliches ereignet hatte. Was allen aber komplett fremd gewesen zu sein scheint, ist, die Bedeutung der Nord- und Ostsee für die milden Winter in Europa zu erkennen und zu bewerten sowie die Schlussfolgerung zu ziehen, dass die sehr umfangreichen seekriegerischen Aktivitäten in Nord- und Ostsee als anthropogene Klimaveränderungen in Betracht zu ziehen sind. c. Das Königreich in schwerer See Ganz im Sinne der Seekriegsthese kann man sich das Königreich von der Englischen Kanalküste bis nach Schottland als Schlachtschiff vorstellen, das den Angriffen des Dritten Reichs, wie auch den Wechselwirkungen zwischen atlantischen und kontinentalen Einflussbestrebungen, trotzen musste. Das imaginäre „Schlachtschiff“ Großbritannien musste zwar nicht solche Winterrekorde über sich ergehen lassen wie der Ostseeraum, siehe z.B. TK1, TK2 & TK3 (S. 5, 11 & 21). Gleichwohl war das Winterwetter durch die ersten Kriegsjahre ungewöhnlich und als Forschungsansatz sehr interessant, was der berühmte britische Wetterdienst „MetOff“ bisher nicht bemerkt hat. Heute wird so viel über Klimaveränderungen gesprochen, aber wohl selten hat ein Experte sich über eine Änderung so schockiert gezeigt wie Drummond, als er ausführte: · Dieses Jahrhundert ist durch eine so weit verbreitete Tendenz zu milden Wintern geprägt worden, dass man meinte die "altmodischen Winter“, von denen man so viel gehört hatte, seien für immer verschwunden. · Die plötzliche Wende (mit der Rückkehr der „altmodischen Winter“) vor dem Jahresende 1939 war deshalb umso erstaunlicher, als es der Anfang von einer Reihe kalter Winter war. Noch nie, seit den Wintern 1878/79, 1879/80 und 1880/81, gab es in Folge drei so strenge Winter wie die von 1939/40, 1940/41 und 1941/42. Dieses erläutert Drummond an drei meteorologischen Kriterien: Temperatur, Wind und Schnee. Temperaturen: Einen Überblick gibt die Grafik zu den Wintertemperaturen am Kew Observatory, wie auch eine Originalgrafik aus dem Aufsatz, (siehe: Abb.A2-1). Die Besonderheit ergibt sich insbesondere aus dem „Dreier-Pack“. Ausführlich befasst sich Drummond auch mit der Anzahl und Besonderheit von Frosttagen, wobei 1942 häufig den Toprang einnimmt. Windrichtung: Drummond führt aus, dass in einer Beobachtungsreihe von 155 Jahren nur in drei Wintern die beherrschende Windrichtung aus dem Nordosten kam, und das waren die Jahre 1814, 1841 und der erste Kriegswinter 1939/40. (s. Abb.C5-4, Seite 53) Schneedauer und Höhe: Dazu geben Drummond für Kew und für das ganze Königreich F. Lewis (1943) ausführliche Auskunft. Hier mögen zwei Zitate von erheblicher Tragweite genügen. Da ist zum einen der schon einmal genannte Satz von Drummond: „seit Beginn von vergleichenden Beobachtungen im Jahr 1871, hat es nur drei aufeinanderfolge Winter gegeben (1939/40, 1940/41, 1941/42), die so schneereich waren wie diese, nämlich: 1915/16, 1916/17 und 1917/18.“ F. Lewis führt u.a. aus: „Die drei aufeinander folgenden Winter von 1940, 1941 und 1942 waren ungewöhnlich schwere, der Schnee war beträchtlich und die Anzahl der Tage mit Schneeverwehungen vergleichsweise groß. Drei solche strengen Winter 1940, 1941 und 1942 wie sie in Folge eintrafen, das ist ohne Präzedenz für die Britischen Inseln für über 60 Jahre als es eine ähnliche Serie wie von 1879 bis 1881 gab.“ Das ist ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass das Ereignis mit dem Seekrieg in Verbindung zu bringen ist. Dies nicht so zu sehen, ist an objektiver Unwissenschaftlichkeit kaum zu überbieten. d. Schwerpunkt ist die Ostsee Für die Forschung und für den Nachweis eines Zusammenhangs zwischen dem Seekrieg und den kalten Kriegswintern kommt insbesondere die Ostsee in Betracht. Hier haben Ebbe und Flut keinen nennenswerten Einfluss, und auch den permanenten Warmwassernachschub vom Atlantik wie in der Nordsee gibt es hier nicht. Die Salzkonzentration spielt in der Ostsee eine sehr viel geringere Rolle und ganz im Nordosten sogar gar keine. Eine Darstellung der Klimarelevanz der Nordsee westlich von Dänemark ist ungleich schwerer, aber nicht unmöglich, wie im nachfolgenden Abschnitt beim Vergleich von Küsten- zu Inlandstationen noch gezeigt wird. Das Grundmuster in den Randmeeren ist jedoch vergleichbar. Die während des Sommers gespeicherte Wärme wird ab Ende August bis zum Jahresende abgegeben. Dieser Prozess hängt insbesondere davon ab, wie ruhig oder windig das Wetter ist. Je rauer die See oder je stärker die Durchmischung, desto mehr Wärme kann abgegeben werden bzw. beschleunigt es den Abgabeprozess. Dies setzt sich so lange fort, bis die Wassertemperaturen den Gefrierpunkt erreicht haben und eine Seevereisung einsetzt. In der Ostsee geschieht das partiell jedes Jahr, in der Nordsee nur sehr begrenzt. In diesem Szenario sollte ein starker anthropogener Einfluss nicht ignoriert werden. Mit Schrauben angetriebene Schiffe besitzen ein hohes Durchmixungspotential, das mit dem Wind und internen Strömungen durchaus vergleichbar ist. Dieses Potential wurde durch die plötzlichen und sehr umfangreichen Seekriegsaktivitäten stark erhöht: In den Herbstmonaten 1939 wurde mehr Wärme abgegeben als in der Vorkriegszeit, was bereits zu einer schnelleren Vereisung hätte führen können. Die Bedingungen im ersten Kriegherbst waren anders als sonst. Durch die Seekriegsaktivitäten wurde kaltes Oberflächenwasser mit wärmerem Wasser aus tieferen Schichten ausgetauscht, so dass die See länger eisfrei blieb. Dadurch wurde das Wasser in der Wassersäule insgesamt kälter, was ab dem Zeitpunkt der Eisbildung zu einer schnelleren und stärkeren Vereisung beitragen konnte. Die angesprochenen Kriegswinter sind dafür ein gutes Beispiel. aa. Die Kräfte, die die Ostsee in Eis verwandelten Während der ersten drei Kriegsjahre wurde die Ostsee nicht nur „gerührt“, sondern auch „geschüttelt“ wie niemals zuvor oder danach. In übereinstimmender Parallelität mit der jeweiligen Intensität der Seekriegsaktivitäten in der Nord- und Ostsee fiel auch während der Winter die Seevereisung aus. In der Ostsee war sie 1939/1940 sehr schwer (100 %), 1940/1941 ungewöhnlich schwer (>85 %) und 1941/1942 extrem schwer (100 %). Eine entsprechende Klassifizierung lässt sich in der Nordsee nicht vornehmen. Dies war umso bemerkenswerter, als dies in aufeinanderfolgenden Jahren erfolgte. So etwas war, seit es Aufzeichnungen gab, noch nie passiert. Vielleicht nicht einmal in den letzten 500 Jahren (Abb.B-8). Während die einzelnen Vereisungswinter später ausführlich erörtert werden, geht es hier um das sogenannte „3-Jahres- Paket“. Vorab ein paar Informationen zu den Bedingungen für Seevereisung in Nordeuropa. Damit wird nicht beabsichtigt, die Physik dieser Randmeere und ihre Wechselbeziehung mit der Atmosphäre zu erörtern, sondern nur den Aspekt hervorzuheben, dass die Wissenschaft die Wirkung von Seekriegsaktivitäten und dem Wetter im 2. WK längst hätte untersuchen und erklären müssen. Der große Zusammenhang ist einfach: Wird der heiße Kaffee umgerührt, wird er schneller kalt. Für die Seevereisung in größerem Ausmaß kommt zwischen London und St. Petersburg nur die Ostsee in Betracht, da in der Nordsee nur sehr selten und nur sehr begrenzt Seevereisung vorkommt und diese sich auch sonst in vielen Bedingungen von der Ostsee unterscheidet. Der jährliche Vereisungsgrad in der Ostsee schwankt von 1/3 bis ½ und einer sehr selten vorkommenden Vollvereisung von 100 %. In den letzten 128 Jahren ist es dazu nur dreimal gekommen: 1939/1940, 1941/1942 und 1946/1947. Das soll reiner Zufall sein? Aber die Wissenschaft scheint es zu glauben. Dabei bietet gerade die Ostsee als weitgehend abgeschlossenes Seegebiet gute Bedingungen für eine Ursachenforschung. Im Mittelpunkt stehen das Winterhalbjahr und die Wärmereserve, über die die Ostsee jeweils verfügt. Im Sommer wird erhebliche Wärme bis zu einer Tiefe von ca. 50 Metern gespeichert. Dies geschieht über verschiedene interne und bedingt auch durch externe Mechanismen. Nur in der oberen Wasserschicht von bis zu rund 20 Metern wirken der Wind oder aber auch die Schifffahrt auf die Wasserstruktur, z. B. die Temperatur und den Salzgehalt, ein. Dadurch kann das durch die Sonne erwärmte Oberflächenwasser in größere Tiefen „gerührt“ werden. Ab Herbst verläuft der Prozess umgekehrt. Es kommt, wenn Wind und Schiffe wirken, zu dem Kaffeetasseneffekt. Gegen Jahresende ist die Sommerwärme weitestgehend an die Atmosphäre abgegeben, und die Temperaturen an der Seeoberfläche nähern sich dem Gefrierpunkt. Der weitere Ablauf wird dann von einer Reihe von Faktoren bestimmt, wozu z. B. gehören: · Wie viel Wärme ist noch unter der Seeoberfläche vorhanden und in welchen Tiefen? · Welche Mechanismen sind vorhanden, um wärmeres Wasser aus tieferen Schichten an die Oberfläche zu bringen? Zum Beispiel: o Sind interne Kräfte vorhanden, die eine vertikale oder horizontale Strömung bewirken oder o externe Kräfte wie Wind, Wellen und die Schifffahrt, die ihren Beitrag leisten? Der Beitrag von schraubengetriebenen Kriegsschiffen, noch dazu im Kampf in einem Gewässer wie der Ostsee ergibt ein gewaltiges „Umschichtungspotential“, dessen Ergebnis sich in der Seevereisung in den aufeinanderfolgenden Wintern 1940, 1941 und 1942 deutlich niederschlug. bb. Die drei Eisjahre in Folge Die Wissenschaft hat die schweren Wintervereisungen der Ostsee in den 40ern bisher nicht mit dem 2. WK und dem Seekrieg in Verbindung gebracht. Dabei liegt der Beweis eines anthropogenen Einflusses, wenn man sich die bekannte Historie der Ostseevereisung anschaut, sehr nahe. Da ist z. B. das hervorragende Material des finnischen meteorologischen Instituts, das auf eine Beobachtungsreihe seit 1720 verweisen kann. Aus dieser wurde die hier abgebildete Grafik erstellt. Sie zeigt die Jahre mit einer Vereisung der Ostsee mit mehr als 350.000 qkm oder größer als ca. 85 %. Danach hat es über einen Zeitraum von 300 Jahren bzw. zwischen 1720 und 1947 nur ungefähr 15 Winter mit einer höchst möglichen Vereisung und rund 23 mit einer hohen, über 85 % gegeben. Davon fallen in die 40er Jahre die vier Winter 1940, 1941, 1942 und 1947, die auch die letzten mit solcher Vereisung im 20. Jahrhundert waren. Vorausgegangen war eine Periode von fast 60 Jahren ohne eine einzige Vollvereisung. Die gab es davor zuletzt im Jahr 1883. Vergleicht man darüber hinaus die Eismenge der drei Kriegsjahre mit allen anderen Eisjahren seit 1720, so ist unschwer feststellbar, dass es keine weiteren drei Jahre in Folge gibt, die eine ähnlich hohe Vereisung hervorgebracht haben wie die Kriegswinter 1940, 1941 und 1942. Eine weitere Grafik erfasst (Abb.B-8) die Seeeisausdehnungen in der südwestlichen Ostsee seit 1500, die einen hohen Wert für die Kriegsdekade aufweisen. Sie weist Werte auf wie in Ausnahmeperioden während der Kleinen Eiszeit. Dies zeigt deutlich, dass etwas eingetreten ist, was eigentlich in einer sich erwärmenden Welt nicht eintreten kann. Tatsächlich hat sich so etwas auch in den letzten 60 Jahren nicht wiederholt. Es gab allenfalls mal einen kalten Winter und den dann auch nur lokal und nicht regional, z. B. der Winter 1963 in England. Die jeweilige Seevereisung in den drei Kriegswintern 1940, 1941 und 1942 wird in den nachfolgenden Kapiteln noch ausführlich erörtert. e. Die Seeluft ist besonders kalt. Küsten- und Inlandstationen im Vergleich Die Dreierserie von Wintern bietet einen überzeugenden Beweisansatz bei dem Vergleich der Wintertemperaturen zwischen je drei Küsten- und Landstationen. An allen Stationen ergeben sich für die Kriegswinter Rekordbedingungen. Während aber an den Inlandstationen die Rekordbedingungen nur marginal erreicht oder überschritten werden, sind sie an den Küstenstationen gewaltig und mit einer „natürlichen“ Variabilität nicht erklärbar. Dazu im Einzelnen: Verglichen werden die Stationen De Bildt, Oslo und Stockholm einerseits mit Paris, Wiesbaden und Basel andererseits. Für jede Station wird das Mittel der drei Kriegswinter mit den beiden nächst kältesten drei Wintern verglichen. Mit einer Ausnahme (Wiesbaden) sind die Kriegswinter die kälteste Gruppe. Doch diese Feststellung ist nicht der entscheidende Punkt, sondern die kolossale Differenz, die sich an allen Küstenstationen zwischen den Rekordwerten und dem zweiten bzw. dritten Platz ergibt. Selbst in Paris macht sich der maritime Einfluss mit vergleichsweise großer Abweichung noch stark bemerkbar. Was kann den negativen Temperatureinfluss von dem Englischen Kanal und der Nordsee besser dokumentieren als die Messwerte von Paris, De Bildt, Oslo und Stockholm? Diese Einschätzung wird dadurch bestärkt, dass es keine Hinweise gibt, dass dieses niedrige Temperaturniveau vom Atlantik maßgeblich beeinflusst wurde, sondern dass es der Einfluss von Nord- und Ostsee war. Auf der Basis der Monate Januar und Februar kann man diese der Nord- und Ostsee zuzurechnenden Abweichungen auch bei Stationen in Großbritannien feststellen; zum Beispiel: · __Greenwich 1841 – 1960, Summe aus Januar/Februar 1940 - 1942 (+8,7 Grad C), 1879 - 1881 (+12,8 Grad C) und 1893 - 1895 (+15,3 Grad C) · __Oxford 1828 – 1980 Summe aus Januar/Februar 1940 – 1942 (+7,6 Grad C), 1879 – 1881 (+11,8 Grad C) und 1829 – 1831 (+12,2 Grad C) · __Edinburgh 1764 – 1960 Summe aus Januar/Februar 1940 – 1942 (+7,6 Grad C), 1836 – 1839 (+8,6 Grad C) und 1774 – 1776 (+ 10,4 Grad C). Die Werte als Zufall abzutun, läßt sich nicht ernsthaft vertreten, und wenn es in Kenntnis der Umstände geschieht, dürfte dies verantwortungslos sein. Hier geht es nicht um ein paar historische Daten, sondern um die Frage, ob der Mensch in das Wetter- und Klimageschehen eingegriffen hat. f. Die Bedeutung der drei Kaltwinter im globalen Zusammenhang Die vorstehenden Ausführungen ergeben, dass in Nordeuropa drei sehr kalte Winter hintereinander eine ganz große Ausnahme sind. Selbst in der Kleinen Eiszeit waren sie eine Seltenheit. Umso markanter ist ihr plötzlicher Eintritt nach einer fast 100jährigen Erwärmungsphase. Sowohl der Schwede Liljequist als auch der Engländer Drummond registrierten dies bereits im Jahr 1943. Zu diesem Zeitpunkt mag es wegen der Kriegsereignisse schwierig, vielleicht sogar unmöglich gewesen sein, sich einen fundierten Überblick über die Gesamtlage zu verschaffen. Sie hätten sonst erkennen können und müssen, dass der Kälteschwerpunkt in Nordeuropa und insbesondere über der Ostsee lag (TK3, S.21). Dass auch die Regionen weiter östlich davon betroffen waren, lässt sich mit den vorherrschenden Luftzirkulationen vom Atlantik gen Osten erklären.
Ein Blick auf die Temperaturkarten (TK1, TK2 & TK3; S. 5, 11 & 21) liefert eine eindrucksvolle Bestätigung der Gesamtlage: In den Jahren 1940 – 1942 waren weite Teile der nördlichen Hemisphäre wärmer als das Mittel von 1900 bis 1939. Nur Europa lag deutlich unter dem Durchschnitt. Die Winter- und Frühjahrsmonate weisen einen starken Kontrast zu den beiden anderen Quartalen auf. Dies weist auf zu niedrige Wassertemperaturen in Europas nördlichen Meeren während des Winterhalbjahres hin. Es gibt keine Hinweise, dass die hohen negativen Abweichungen in Europa in einem nennenswerten Zusammenhang mit einem anhaltenden "El Niño" vom Herbst 1939 bis zum Frühjahr 1942 bestanden haben könnten, siehe Kapitel F. Die Ungewöhnlichkeit von drei aufeinanderfolgenden Wintern wurde bereits 1943 von Gösta Liljequist in beeindruckender Weise herausgearbeitet. Hier konnten weitere überzeugende Argumente hinzugefügt werden, die nachhaltig die Seekriegsthese im Sinne eines „Nachweises des ersten Anscheins“ stützen. Dies betrifft insbesondere die Schwere und Dauer der Seevereisung, die mit hohen Seekriegsaktivitäten direkt in Verbindung gebracht werden kann. Des Weiteren ist die gewaltige Differenz bei den Temperaturniedrigrekorden an Küsten und Inlandstationen so auffallend, dass dies wahrlich nicht übersehen werden sollte. Dass dies Liljequist nicht auffiel, lässt sich wegen der Kriegsjahre entschuldigen. Für die nachfolgende Generation jedoch kaum. Dieser Eindruck wird noch um ein Vielfaches verstärkt, wenn man sich die drei Kriegsjahre 1940, 1941 und 1942 im Einzelnen anschaut. Damit befassen sich die folgenden drei Kapitel. Inhalt - A1, A2, A3, B, NEXT> C1, C2, C3, C4, C5, C6, C7, C8, C9, D, E1, E2, E3, E4, E5, E6, F, G1, G2, G3, H, I, J, K-pdf, L-pdf, |
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